Otto Saxinger zur Ausstellung  „ÜBERSICHT“ im Jazzatelier Ulrichsberg 2007

Vor genau zehn Jahren hat Michael Lauss hier bereits einmal ausgestellt und es ist einerseits eine gewisse Sentimentalität von Michael, dass ich heute genauso wie vor zehn Jahren eine kleine Einleitung zu seinen Arbeiten mache, andererseits steht aber auch sein  Konzept dieser Ausstellung dahinter, da er einen Bogen zu spannen versucht über einen doch relativ langen Zeitraum, in dem für ihn aber eine wichtige Entwicklung passiert ist, die gewissermaßen an diesem Ort ihren Ausgang genommen hat und jetzt und heute keinen Endpunkt, sondern eine Art Zwischenbilanz oder eben, wie der Titel sagt, eine „Übersicht“ zeigt.

Vor zehn Jahren hatte die Ausstellung den Titel „An der Grenze der Wahrnehmung“ – und dieser Titel bezog sich einerseits auf seine damalige Arbeitsweise, die sich radikal von der Gegenständlichkeit weg und hin zu einem gestischen abstrakten Expressionismus entwickelt hatte. Gleichzeitig haben wir beide an Hand dieser Ausstellung die „Wahrnehmungsgrenze“ geografisch wie soziologisch  auszuloten versucht, indem wir auch den Begriff der Peripherie ins Zentrum gerückt haben. Durch eine Diskursveranstaltung zu diesem Thema wollten wir auch mehr Publikum an die Peripherie bringen und durch diese Form der Vermittlung diesem auch einen speziellen Zugang zu Michaels Arbeiten ermöglichen.

Waren damals unsere Bemühungen nach Außen zu gehen nur von einem bescheidenen, aber immerhin doch Erfolg beschieden, so hat in der darauf folgenden Zeit bei Michael eine Intensivierung der schon bis dahin in Ansätzen laufenden künstlerischen Entwicklung eingesetzt, die hier einen für mich kleinen Höhepunkt zeigt.

Der bestimmende Gestus seiner Arbeiten war zunächst, alles Gegenständliche hinter sich zu lassen, sich völlig auf das Material selbst einzulassen und darauf zu vertrauen, dass diese Kraft, die diese Bilder und Objekte vermitteln, für den Betrachter zu einem Einstieg in eine, oder genauer, seine analytische Sicht auf die Welt wird. Was sich aber bei diesen Arbeiten bereits abgezeichnet hat, ist, dass er den Betrachter mit den Resten einer aufgeklärten Gesellschaft konfrontiert – dem Negativen, Verdrängtem aus dem Unbewußten – ohne ihm einen alles Ungewisse aufsaugenden transzendentalen Brei mit „Erlöserfaktor“ anzubieten.

Ein nächster einschneidender aber logischer Schritt war das völlige Abstand nehmen von einer emotionsgeladenen Gestik, die den Akt des künstlerischen Tun überhöht und, wie ich meine, immer auch einen Fluchtweg vor dem Nichtwissen und Scheitern darstellt – vor allem aber so etwas wie „sich die Langeweile vertreiben“ und „die Zeit totschlagen“ verunmöglicht, also essentielle Momente nicht nur des „Künstler-Lebens“ verdrängt. Also hat Michael gerade im Bereich der Malerei einen Schritt vom theatralischen hin zum performativen Tun vollzogen, das aber in der Folge am vielfältigsten und stärksten in seinen Objekten zum Ausdruck kam.  Vielleicht liegt  ein Grund darin, dass dem Bereich der Bildhauerei noch immer so etwas wie Schwere, Größe, Erhabenheit anhaftet und Michaels Objekte sich zu diesen Begriffen am allermeisten querlegen. Denn sein Hauptthema hier könnte man unter dem einfachen wie alltäglichen Begriff „Kiste“ zusammenfassen – formal gibt es hier nicht allzu viel herumzureden: er nimmt das Material, zerteilt es, höhlt es aus und baut es in einer Leichtigkeit wieder zusammen, das einem das Gefühl gibt, die Kiste könnte jederzeit wieder zerfallen, oder zumindest umfallen. Durch die durchwegs unseriöse und vor allem für die Bildhauerei völlig unorthodoxe Farbgebung wird noch einmal unterstrichen, dass es sich hier nicht um das Objekt selbst geht, sondern vielmehr um den Raum, den diese umschließt, den Raum von dem der Betrachter wie der Künstler selbst ausgeschlossen scheint, in dem nur gucklochartige Blicke möglich sind – damit der Blick selbst, von außen wie von innen zum Thema wird.

Erstmals sehen wir hier auch eine Umkehrung:  endlich ist es uns möglich, in den Innenraum einer Kiste vorzudringen und geschützt wie in einem Bunker den Blick wie eine Geschoß durch die Gucklöcher zu werfen – doch was wir zu sehen bekommen, ist das fast logische Ergebnis: auch unsere Außenwelt erweist ist nur als eine, wenn auch hell erleuchtete Kiste, die den Blick wieder zurückschickt – sie ist eben nur ein Abbild unserer Innenwelt.

Dazu passt nun auch der für mich zwiespältige Titel – den was scheinbar eine Übersicht erlaubt, kann sich schnell als Täuschung erweisen – und vor allem wird der Neugierige selbst auch zu einem Teil des Objekts der Betrachtung.

Wie Michael gezeigt hat, lässt sich in dieser scheinbar sehr schlichten Herangehensweise beinahe alles zu einer Kiste machen. So funktioniert auch ein Rückgriff auf die frühesten Arbeiten, ja macht es sogar nötig, diese Formen wieder aufzugreifen, sie zu zerlegen , wieder zusammenzubauen und ihnen einen Anstrich zu verleihen, der mit einer Leichtigkeit Fährten in alle möglichen Richtungen legt und Fragen stellt, wie man dies nur von Kleinkindern kennt.

Logischerweise ist es dadurch auch zu einer völligen Aufhebung der Trennlinie zwischen den kunsthistorschen Begriffen „Abstrakt“ und „Gegenständlich“ gekommen, da ja eine solche Herangehensweise von vornherein eine falsche Fährte legen würde.

Und da an Michael und mir das Kunstereignis des Jahres 2007 – die Documenta in Kassel – nicht spurlos an uns vorüberging, so hat auch mich das Thema „Antike“ während diesen Gedanken ergriffen: So dachte ich mir, selbst innerhalb des Werkes eines Künstlers sollte sich eine Art „Antike“ finden lassen – natürlich seine eigene. Denn, ist es einem Künstler nicht möglich, eine Distanz zu sich selbst einzunehmen, sich und vor allem auch seine Kunst völlig in Frage zu stellen und radikale Brüche oder auch Unterbrechungen zu praktizieren, so wird er keine Entwicklung schaffen, in den eigen Furchen dahin ackern und zu seinem eigenen Epigonen werden. Ich glaube, dass nur durch diese radikale Einstellung zu sich selbst und zur eigenen Vergangenheit  es möglich ist, gewisse Elemente, Formen, ja auch Haltungen wieder aufzunehmen, sozusagen seine eigene Renaissance sinnvoll zu feiern –aber vielleicht auch nur dort, wo man diese gar nicht erwartet würde.

Da ich nicht Kunsthistoriker oder Kurator bin, sondern als Michaels Freund und Begleitern hier stehe, der die Entwicklung der letzten Jahre mitverfolgt hat, bin ich mir sicher, dass Michael auch in Hinkunft eine Entwicklung – wohin auch immer – aber in derselben Qualität machen wird – und somit ich als Betrachter seiner Werke immer wieder ein kleines Renaissance-Erlebnis haben werden.

 

 

 

 

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„Am Anfang war der Strich“, Galerie MAERZ 2015

In dieser Ausstellung geht es um das Hin- und Her-Changieren zwischen 2- und 3-dimensionaler Arbeit, deren Vermischung und gegenseitigen Einfluss. Gezeigt werden Malerei, Wandobjekte und bemalte Objekte im Raum.

Das Verfahren in der Malerei von Michael Lauss ist die Bewegung im Grenzbereich zwischen abstrakten Flächen und Strukturen hin zu einer objekthaften Materialität der Farben selbst, die zum Teil auch  gegenständliche Schemen, wie Portraits zu erkennen geben. Einerseits entstehen Gemälde, die teilweise jahrelange Überarbeitungen hinter sich haben , und deren schwer bis kaum mehr sichtbaren Untergrund immer einen starken Einfluss auf die nächste Schicht der Überarbeitung haben. So entstehen Bilder, die wie objektgewordene Zeit der Bearbeitung und des Stillstandes gleichermaßen sind. 

Das Thema von MICHAEL LAUSS Objektarbeit könnte man unter dem einfachen wie alltäglichen Begriff „Kiste“ zusammenfassen: er nimmt das Material, zerteilt es, höhlt es aus und baut es in einer spielerischen Weise wieder zusammen. Das Interesse gilt dabei mehr den Raum, den diese umschließt und von dem der Betrachter wie der Künstler selbst ausgeschlossen scheint, in den nur gucklochartige Blicke möglich sind.

Vor allem die bemalte Oberfläche der Objekte geben diesen einerseits einen unseriösen Charakter und eine Leichtigkeit, die gleichermaßen die mal mehr mal weniger gegenständliche Darstellung aushebelt und in eine Art von Abstraktion überführt. Die Themen der Darstellung werden unterwandert und in Frage gestellt, die Objekte werden zu bemalten Flächen, die sich in den Raum erstrecken. 

Zwischen diesen Objekte und den Gemälden stehen als Bindeglieder Wandobjekte, die in logischer Weise, sowohl von der Bildhauerei wie der Malerei Arbeitsweisen aufnehmen und so idealen Bindegliedern in dieser Ausstellung werden.

Michael Lauss: „Die Grenzziehung läuft niemals scharf oder geradlinig sie ist vielmehr diffus so wie bei einem Traum den man gerade noch in Erinnerung hat wenn man aufwacht.

Sich einem Prozess auszuliefern bei dem man nicht genau weiß was dabei herauskommt birgt ein gewisses Risiko, (es können Bilder zu Tage treten die man lieber vor sich selber verbirgt)   die Neugier was zuzulassen von dem man vorher keine Ahnung hatte ist manchmal stärker  als die Angst vor unangenehmen Wahrheiten.“

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